Michael Neller – Handwerkskunst aus Leder mit Charakter und Seele

Echtes Handwerk hat Seele – besonders, wenn es von Menschen kommt, die ihr Material wirklich verstehen. Michael Neller, besser bekannt als Sir Leder Michel, verwandelt in seinem Atelier in der Lederergasse in Villach rohes Leder in kunstvolle Unikate. Seine Gürtel, Westen und Accessoires entstehen in reiner Handarbeit, jedes Stück erzählt eine eigene Geschichte. Was als Zufall auf einer Motorradveranstaltung begann, ist heute eine gelebte Leidenschaft und ein Statement gegen Massenware. Michael Neller steht für Authentizität, Nachhaltigkeit und die Rückbesinnung auf Werte, die in der Konsumwelt oft verloren gehen: Zeit, Hingabe und Respekt vor dem, was man erschafft.
Wirtschaftsmacher.com: Hallo, wir sprechen mit Michael Neller alias Sir Leder Michel, der in seinem Atelier und Showroom in der Lederergasse in Villach hochwertige und vor allem auch individuelle Kunstwerke aus Leder fertigt. Schön, dass Sie heute bei uns sind!
Michael Neller: Servus!
Wirtschaftsmacher.com: Seit über einem Jahrzehnt fertigen Sie ja wirklich die kreativsten und künstlerischsten Dinge aus Leder an. Wie kam es da eigentlich dazu?
Michael Neller: Eigentlich eher aus Zufall. Ja, also ich bin im Prinzip im Versicherungsbereich groß geworden, war da die längste Zeit meines Lebens selbstständig und habe dann irgendwann mal gewechselt ins Angestelltenverhältnis und zufälligerweise auf einer Veranstaltung, Motorradveranstaltung, habe ich jemanden kennengelernt, der mit Leder arbeitet. Und ich kam die ganzen drei Tage nicht mehr von seinem Stand weg. Das hat mich so in den Bann gezogen und so fasziniert, was man aus Leder alles machen kann und wie man das bearbeiten kann. Dann hat das so mehr oder weniger seinen Lauf genommen mit dem ersten Probestück zu Hause am Küchentisch, und dann hat es sich irgendwie weiterentwickelt, verselbstständigt, sagen wir mal so.
Wirtschaftsmacher.com: Krass. Und wie lange ist das jetzt her?
Michael Neller: Das ist jetzt etwas über zwölf Jahre her.
Wirtschaftsmacher.com: Und wo lerne ich jetzt auch wirklich den Umgang mit solchen Lederwaren?
Michael Neller: Auch schwierig. Also heute gibt es noch den Beruf des Sattlers, die allerdings eher so im Fahrzeugbereich oft mit Kunstledern oder mit typischen Autoledern arbeiten. Und dann gibt es halt die Hosenmacher, Ledergalanteriewarenerzeuger oder den Orthopädie-Schuhmachermeister.
Wirtschaftsmacher.com: Oder jetzt auch hier den klassischen Hutmacher?
Michael Neller: Nein, also die lernen zwar Hüte machen, aus Leder ist dann wieder ein bisschen schwieriger, weil es die Hutmode in Leder eigentlich so in dem Sinne gar nicht gab.
Wirtschaftsmacher.com: Okay. Und wo kam jetzt bei Ihnen auch die Inspiration und auch das geschickte Handwerk her?
Michael Neller: Wo die herkamen? Gute Frage. Also, ich stelle mir selber in meinem Atelier dann immer mal die Frage, beim schönen Gläschen abends, wenn es dann schön dunkel ist, und frage mich, welcher verrückte Kerl im Prinzip die ganzen Sachen anfertigt. Die kommen einfach aus mir raus.
Wirtschaftsmacher.com: Die kommen einfach aus Ihnen raus. Okay.
Michael Neller: Also, ich könnte Bücher schreiben oder Bücher zeichnen mit Ideen und Inspirationen. Schlichtweg fehlt die Zeit, das alles umzusetzen.
Wirtschaftsmacher.com: Krass. Und Ihr erster Showroom und das erste Atelier war ja auch in Hamburg, richtig?
Michael Neller: Ja, Nähe der Reeperbahn, St. Pauli, ja.
Wirtschaftsmacher.com: Und jetzt ja auch in Villach. Wie kam da der Umzug?
Michael Neller: Natürlich durch eine Motorradveranstaltung, die alljährlich stattfindet. Das ist die Bike Week in Faak am See. Da war ich sieben Jahre Aussteller, und dann ist es mir immer schwerer gefallen, nach Deutschland zurückzufahren. Also ab Salzburg habe ich schon das Kotzen gekriegt.
Wirtschaftsmacher.com: Und dann, quasi in Land und Leute hier in Österreich, gewissermaßen auch verliebt?
Michael Neller: Definitiv!
Wirtschaftsmacher.com: Und wie lange jetzt schon in Kärnten?
Michael Neller: Seit dreieinhalb Jahren.
Wirtschaftsmacher.com: Seit dreieinhalb Jahren, und das in der Lederergasse sogar.
Michael Neller: Richtig. Genau!
Wirtschaftsmacher.com: das ist ja wirklich die perfekte Adresse auch geworden. Und bei Ihnen jetzt auch im Showroom – ich komme rein, ich kann Dinge von der Stange ja auch kaufen, oder ist das alles Individualanfertigung?
Michael Neller: Von der Stange ist es jetzt wiederum zu salopp. Das kennt man vielleicht aus dem, wie sagt man es so schön, aus dem normalen Modehandel. Bei mir ist es: Viele sagen, es ist wie ein Museum. Die kommen da rein und sind erstmal total geflasht und müssen erstmal suchen oder schauen, was es da überhaupt alles gibt. Und das sind alles Einzelstücke, das sind alles Unikate.
Wirtschaftsmacher.com: Da haben Sie uns ja auch einiges heute mitgebracht, das wir uns jetzt auch ein bisschen näher anschauen werden.
Michael Neller: Richtig, genau.
Wirtschaftsmacher.com: Ja, was sehen wir hier auch zum Beispiel jetzt hier auf dem Tisch?
Michael Neller: Ja, auf dem Tisch ist so eine kleine Auswahl, die ich immer mitgebracht habe. Also, ich sage mal, vom Motorradsattel, der hochgradig punziert ist, also komplett kunstvoll verziert, 3D-mäßig sogar. Das ist alles aus einem Stück Leder gemacht. Dann haben wir hier zum Beispiel einen kunstvoll verzierten Ledergürtel aus drei Schichten Leder. Das sind fast einen Zentimeter Stärke. Haben wir hier einfach eine relativ schlichte Tasche. Und alles das, was ich jetzt hier mache, das sind im Prinzip Einzelstücke und es gibt kein vorgefertigtes Muster. Wenn der Kunde reinkommt, der Interessent reinkommt, da wird eine Skizze gemacht, wirklich noch mit Bleistift in meinem Sketchbook, und dann wird zusammen das mit dem Kunden gemacht. Ich sammle die Eindrücke von ihm, was ihn ausmacht, was ihn inspiriert, was er gerne hat. Und dann führt sich meine Hand selber unter den Bleistift, und ich skizziere dann so lange, bis derjenige sagt: „Genau so stelle ich es mir vor.“Und aufgrund dieser Skizze wird das dann gemacht.
Wirtschaftsmacher.com: Das heißt, es gibt kein Stück wirklich zweimal?
Michael Neller: Nein. Ich sage es schon manchmal salopp, wenn jemand wegen einem Stück fragt und nach dem Preis fragt. Und dann kommt natürlich die Frage: Ist da vom Preis was machbar, wenn ich da mehrere Stückzahlen mache? Sage ich: Nee, weil das ist immer die gleiche Hand, die es zwar macht, aber es muss mit der Hand gemacht werden. Es gibt keine Maschinen und – im Gegenteil – wenn es mehr Stück werden, wird es sogar teurer. Und dann sind die Leute meistens geschockt. „Warum? Wieso? Das ist doch normal, da geht’s nach unten.“ Sage ich: Nee, für mich ist das Schmerzensgeldzuschlag, weil ich muss, im Prinzip, 10, 20, 30 Mal das gleiche Objekt machen. Und das langweilt, weil ich bin eher Lederkunsthandwerker als ein reiner Handwerker, der mehr oder weniger nur abarbeitet, ohne das despektierlich zu m einen gegenüber normalen Handwerk.
Wirtschaftsmacher.com: Und das heißt, ich muss als Kunde schon mit einer gewissen Idee auch reinkommen, oder ist dann in Ihrem Museum genug Inspiration, um dann gemeinsam zu erörtern, was es dann werden wird? Und wie kann ich mir wirklich diesen Einkaufsprozess näher vorstellen?
Michael Neller: Es gibt Leute, die haben eine gewisse Idee, eine gewisse Grundvorstellung, sind entweder schon von Haus aus Individualisten und suchen das Besondere. Dann gibt es andere, die kommen einfach nur ganz solo rein: „Ich möchte gerne eine Tasche haben“ oder „Ich möchte einen Gürtel haben.“ Und wenn sie dann bei mir reinkommen, dann sind sie erst mal mehr oder weniger fast erschlagen und erstaunt, was es überhaupt alles aus Leder gibt, weil viele haben da wirklich keine Vorstellung, die kennen nur diese Mainstream-Sachen. Und wenn sie dann bei mir reinkommen, sehen sie Sachen, die sie vielleicht noch nie gesehen haben. Bei mir ist das Motto: Eigentlich geht nicht, gibt’s nicht. Ich mache alles bis auf Schuhe und Handschuhe. Bei mir bekommt man wirklich alles aus Leder, und wenn es das noch nicht gab, dann wird es das irgendwann geben.
Wirtschaftsmacher.com: Was war das Skurrilste, was Sie schon aus Leder angefertigt haben?
Michael Neller: Das Skurrilste – ich sage es mal so: Ich habe schon oft gedacht, das ist jetzt das Verrückteste, was ich gemacht habe. Es kommen aber doch immer noch Kunden und Interessenten rein, die setzen noch eins drauf.
Wirtschaftsmacher.com: Als Beispiel?
Michael Neller: Muss ich Reeperbahnen erklären?
Wirtschaftsmacher.com: Nein, ich glaube, das kennen wir in Österreich auch noch grob.
Michael Neller: Genau, Reeperbahnen. Da gibt es dann so besondere Stücke, die man dann doch anfertigt.
Wirtschaftsmacher.com: Okay, für den Einsatz auf der Reeperbahn zum Beispiel, insbesondere in gewissen Gassen. Und auch andere, die vielleicht im Alltag skurrilermaßen aufgefallen sind?
Michael Neller:Skurril?
Wirtschaftsmacher.com: Das kann ja auch schön skurril sein.
Michael Neller: Schön skurril, wenn es schön skurril ist – wie ich im Alltag rumlaufe –, dann ist das skurril. Ja, wobei ich die Erfahrung selbst jetzt hier habe ich ja schon im Ort die Erfahrung gemacht, dass die Leute dann doch drauf anspringen und erst einmal sehen: „Oh, wie läuft der denn rum?“ Für mich ist das einfach Alltagsklamotte oder Alltagsoutfit, weil ich einfach nicht so rumlaufen will wie ein – in Anführungszeichen – typischer Mainstream. Es gibt genug Sachen von der Stange und ich mag einfach das Besondere. Das war eigentlich schon immer so.
Wirtschaftsmacher.com: Und ist das auch eine gewisse Message, die Sie auch damit versuchen zu transportieren?
Michael Neller: Also, wenn ich jetzt von meinem Outfit wieder noch einmal spreche. Eine Message möchte ich damit eigentlich gar nicht. Mir ist es eher unangenehm, fast schon, wenn die Leute mich so anschauen, wie ich rumlaufe. Die fragen dann immer: Auf welchen Kostümball gehst du? Oder ist denn schon wieder Kirchtag? Also, ich muss keine Lederhose anziehen, nur weil Kirchtag ist. Also, für mich ist das eigentlich ein Alltagskleidungsstück, weil Lederhose ist das Geilste, was du anziehen kannst. Im Sommer schon mal überhaupt eine schöne Hirschlederhose, da kommt nix drüber. Was muss ich mir so eine Kunsthose anziehen, aus Baumwolle oder aus irgendwelchen Kunstfasern, wenn es ein schönes Material gibt, ein kerniges!
Wirtschaftsmacher.com: Klar! Nur jetzt ist Leder mittlerweile aus der Alltagsmode ja fast schon verschwunden, und natürlich gerade in der österreichischen Tracht natürlich noch verankert, aber die, wie Sie richtig sagen, wird ja nur noch zu gewissen Anlässen ja auch getragen.
Michael Neller: Leider!
Wirtschaftsmacher.com: Sie sagen leider. Das heißt, wie werden dann nach Ihrer Vorstellung, wie sollte die Bevölkerung gekleidet, adjustiert rumlaufen, Ihrer Meinung nach?
Michael Neller: Ich habe ja immer wieder Leute, die auch das Thema Leder, Lederverarbeitung auch durchaus verurteilen.
Wirtschaftsmacher.com: Das ist auch ein Punkt.
Michael Neller: Auch das Thema Veganer. Ich kann es verstehen, ich kann es nachvollziehen, die Gedankengänge sind mir absolut bewusst. Ich gebe den Leuten dann immer aber zu bedenken, das ist, was sie heute sehen. Heute ist es industriell schwer verarbeitet. Heute, ich sage mal, in Europa kommen ungefähr 95 Prozent der Lederwaren mittlerweile aus Asien, billigst produziert unter menschenwidrigen, tierwidrigen und umweltwidrigen Bedingungen. Mal dem Faktor der Transportwege mal komplett außer Acht gelassen, aber das gehört eigentlich dazu.Dabei ist Leder eines der nachhaltigsten, wenn nicht sogar der nachhaltigsten Wertstoffe oder wie man das auch nennen mag, den es seit Menschengedenken gibt. Und wenn alle so arbeiten würden, wie ich es in meiner Manufaktur tue, dem mir jede Lederhaut eigentlich bewusst ist, dass es mal einem Lebewesen angehört hat – bei mir muss jeder Schnitt sitzen, weil ich keine zweite Möglichkeit habe, das zu kurieren. Bei mir ist es schon so, dass ich eine absolute Wertschätzung habe für dieses Material, weil einfach das Bewusstsein da ist, dass es einem Tier gehört hat. Und das ist heute einfach vergessen worden. Das ist lange Zeit einfach behandelt worden, einfach wie die Milch, die heute im Kühlschrank steht oder im Kühlregal steht. Wenn man den Kindern erzählen würde, die Milch kommt aus dem Euter einer Kuh, da würde die Hälfte sich schon übergeben.
Wirtschaftsmacher.com: Möglich!
Michael Neller: Ja, und um das nochmal zu wiederholen: Das ist, wenn alle so arbeiten würden, wie ich es tue. Ich erschaffe Einzelstücke, die über Generationen halten können. Wenn man jetzt alleine schon so einen Gürtel nimmt – ich kann hier mal so ein Stück holen.
Wirtschaftsmacher.com: Gerne!
Michael Neller: Das ist so ein typischer Industriegürtel. Der ist schon ein bisschen zerfleddert. Das ist so mein Vorzeigestück. Das ist aber so der Alltagsgürtel, den man heute zu kaufen kriegt. Die Leute kommen dann rein – der ist dann nach einem halben Jahr, nach einem Jahr, nach zwei Jahren hinüber. Der darf maximal zwischen 5 und 50 Euro kosten. Das ist so der Standard. Wenn dann ein Markenname draufgedruckt ist, dann kosten die auch 80, 120 Euro. Und wenn man die Luxusmarken nimmt, dann kosten die auch mal 300, 400, 500 Euro. Da muss ich aber immer sagen, ob das die Luxusmarke ist oder ob das der 5-Euro-Gürtel ist – das ist für mich der gleiche Schrott.
Wirtschaftsmacher.com: Man zahlt die Marke, ja, nicht das Material.
Michael Neller: Richtig, genau. Und da kann man dann wirklich sehen: Entweder ist dann gar kein Leder verarbeitet oder es ist dann so, dass da eine hauchdünne Schicht hier oben noch drauf ist und hier unten, hier hinten drin sind dann im Prinzip irgendwelche Werkstoffe wie Plastik, Kunststoff, was auch immer. Wenn ich da jetzt ein Feuerzeug dran halten würde, der würde anfangen zu schmelzen, und dann sprechen wir dann von Nachhaltigkeit gleich null, weil die Dinger schmeiße ich alle paar Tage weg. Und wenn man dann mal so einen Gürtel sieht wie hier – entweder ist das hier dieser Geschirrledergürtel. Das ist eigentlich so das, was ich fast immer verarbeite. Die kommen praktisch aus dem Pferdesport, kommen aus einer deutschen Gerberei. Ich nehme übrigens auch nur Leder, die aus deutschen oder österreichischen Gerbereien kommen. Da kommt nichts aus dem Ausland, außer ein Leder. Das sind zum Beispiel diese hier – das ist ein spezielles Leder. Die kommen aus den USA, aus Missouri. Das hat aber die Bewandtnis, weil das Ledergürtel sind, die teilweise bis zu sieben Millimeter stark sind. Und diese haben in der Regel so fünf Millimeter, was auch schon über dem ist, was standardmäßig heute zu kaufen ist. Und das sind Leder, das sind zum Beispiel – jetzt, um darauf zurückzukommen – das sind Leder aus einer Gerberei im Norden Deutschlands, alter Familienbetrieb, und die machen hauptsächlich für den Pferdesport Leder. Wenn man dann hier praktisch das aufbricht, dann sieht man, dass dann die Fette sich verteilen, und wenn man das erwärmt, geht es wieder zurück. Mit dem Riemen kann man ein Auto abschleppen – den kriegst du nicht kaputt. Ich habe bei mir an der Ledermanufaktur draußen an der Wand, an der Ledermanufaktur, habe ich einen Riemen hängen. Da können zwei Leute dran ziehen. Den Spaß mache ich mir manchmal auch am Kirchtag und lasse die Leute zehn Euro bezahlen, wenn sie den Riemen praktisch von der Wand abreißen. Da ist ein Loch vorne drin mit einem Karabinerhaken. Wenn sie den abreißen, kriegen sie zehn solche Gürtel von mir angefertigt.
Wirtschaftsmacher.com: Krass! Hat schon mal jemand geschafft?
Michael Neller: Bisher komme ich immer nur ins Verdienen. Geht nicht, das Ding muss ein Pferd halten. Ein Mensch wird es nicht kaputtkriegen. Wenn du den kaufst, kaufst du den einmal. Dann hast du Ewigkeiten. Und wenn man da wiederum von Nachhaltigkeit spricht: Wenn so ein Gürtel dann zwischen 120 und 160 Euro kostet – diese aus Amerika, die kosten speziell einen etwas höheren, einfach wegen der Stärke. Die gibt es in Europa so nicht in der Form. Dann gibt es nichts Nachhaltigeres.
Wirtschaftsmacher.com: Und Sie haben uns ja auch ein Bild mitgebracht.
Michael Neller: Richtig, genau. Das ist das hier. Das ist eigentlich ein ganz altes Handwerk, auch wiederum ein sehr, sehr, sehr altes Handwerk, das es heute leider so in der Form nicht mehr gibt, weil das die Pressen und heute Lasergeschichten abgelöst haben. Das ist das österreichische Wappen erkennt ja jeder – und das ist aus einem einzigen Stück Leder gemacht. Da ist nichts aufgeklebt oder sonst irgendwie nachträglich angefügt. Das ist ein Stück, das ist in 3D gemacht, dass wirklich die Feinheiten, so der Kopf oder das Wappen oder die Flügel, richtig rauskommen. Oder so der Flügel, die Feder hier über das Bild herausragen. Und das ist auch noch mit 24 Karat Blattgold versehen.
Wirtschaftsmacher.com: Und das wird dann mit Hammer und Meißel, wie kann ich mir das vorstellen?
Michael Neller:
Das sind praktisch ganz, ganz kleine Meißelchen, und dann mit dem Hammer wird das dann letztendlich Stück für Stück einpunziert. Das ist wie, wenn man – ich hole jetzt mal hier die Messerscheide – da sieht man jetzt hier so eine Blase da drauf, zum Beispiel, das ist ein Hammerschlag. Und dann kann man sich vorstellen, wie viele Stunden für so ein Bild draufgehen.
Wirtschaftsmacher.com: Was dürfte man schätzen, wie viele Stunden für sowas?
Michael Neller: Für sowas?Circa zwischen 60 und 80 Stunden.
Wirtschaftsmacher.com: Krass. Ist schon eine Beschäftigung auch.
Michael Neller: Ja, das definitiv.
Wirtschaftsmacher.com: Aber gut, dass Sie auch jetzt hier stehen. Hier sieht man auch das Outfit noch mal besser.
Michael Neller: Ja, da sieht man auch die Punzierung. Also, ich mache auch nicht diese typischen Trachtenhosen, diese traditionellen mit Stickereien. Geht auch, kann ich auch machen. Ich bin eher dann wieder komplett individualistisch unterwegs, dass jedes Muster, jedes Design, was der Kunde haben möchte, wird im Prinzip auf die Lederhose oder auf die Weste oder wo auch immer hingebracht.Eine Weste habe ich auch mitgebracht, gerade ein neues Kundenprojekt. Ich hole das mal. Da sieht man, wie individualistisch das Ganze geht. Da wurde im Prinzip die Skizze gemacht für den Kunden, gemeinsam mit ihm – was für Ideen er hat, was für ein Leder er hat. Also es wird vom Leder, über den Garn, über Innenleben und so weiter, wird alles individuell gestaltet. Da sieht man dann dementsprechend das Wappen und hinten drauf auch in 3D – ist sein eigener Hund. Da hat er mir ein Bild geliefert von seinem Hund. Und das wird dann eins zu eins ins Leder gebracht.
Wirtschaftsmacher.com: Krass! Und das ist alles 100 Prozent Handarbeit.
Michael Neller: Das ist alles 100 Prozent mit Händen gemacht. Keine Maschine, keine Druckplatte oder sonst irgendwas. Alles mit der Hand.
Wirtschaftsmacher.com: Und wir haben jetzt hier für diese Weste die Abfertigungszeit – bei der Zwischenbestellung und Auslieferung?
Michael Neller: Das war mehr oder weniger Bestellung und Auslieferung. Das sind zwei Sachen. Wenn jetzt jemand bestellt, einen Auftrag rein gibt, sind ungefähr vier bis fünf Monate, vier bis sechs Monate Wartezeit. Wenn ich dann dran bin, geht’s in einem durch. Heißt, in einem durch – wirklich in dem Fall war’s so, das waren innerhalb von vier Tagen circa 55 Stunden Arbeit. Das ist für manchen dann eher schon zwei Wochen Arbeitszeit. Das Problem ist in dem Bereich, zumindest ist es bei mir so – bei anderen vielleicht nicht – wenn ich hier anfange zu punzieren und mach jetzt hier und auf der Vorderseite weiter, wenn ich das an einem Tag machen würde und würde das punzieren und würde das am anderen Tag punzieren, und die Seiten sollen möglichst gleich bleiben, soweit es die Hand zulässt, dann würde ich am nächsten Tag schon eine andere Unterschrift haben, eine andere Handschrift haben. Jeder Tag ist anders, und wenn ich das nicht an einem Tag mache, wird es zu verschieden.
Wirtschaftsmacher.com: Vor allem ist ja das hier auch alles per Hand so symmetrisch zu schaffen, ist schon sehr beeindruckend, wow. Da sind Sie, glaube ich, mitunter einer der, wenn nicht sogar einer der Einzigen.
Michael Neller: Es gibt nicht ganz so viele, die so etwas noch machen. Es gibt zwar viele im Hobbybereich, die das machen, rein hauptberuflich, die davon auch wirklich leben können, gibt’s nicht wirklich viel. Das ist in Österreich vielleicht eine Handvoll und in Deutschland maximal zwei Hände voll. Hobbyisten gibt’s natürlich eine ganze Menge. Und da sind auch großartige Künstler dabei. Aber bis zur Selbstständigkeit ist dann doch noch ein anderer Weg.
Wirtschaftsmacher.com: Auf jeden Fall sehr beeindruckend. Und wie Sie ja vorher gesagt haben, es gibt ja nichts, was Sie nicht machen würden oder kaum sehr wenig. Das heißt, was sind so die klassischen Wünsche, auch mit denen Kunden zu Ihnen ins Atelier kommen?
Michael Neller: Klassische Wünsche?
Wirtschaftsmacher.com: Oder gibt es sowas überhaupt?
Michael Neller: Kaum. So individuell. Sagen wir mal so – einen Gürtel braucht jeder irgendwann. Ansonsten Klassiker in dem Sinne gibt es nicht wirklich. Bin ich auch froh darum, dass es wirklich Einzelstücke sind. Einzelstücke bleiben. Ich versuche schon immer in den letzten Jahren herauszufinden, was geht am Markt – ob es jetzt so ein Zylinder ist, ob es Taschen sind oder was auch immer. Ich steige nicht durch. Das ist manchmal irgendwie so eine Tendenz: Dann machst du das eine, dann will es keiner haben. Machst du das andere zu wenig, dann wollen es plötzlich alle haben. Durch den Markt bin ich noch nicht durchgestiegen. Keine Ahnung.
Wirtschaftsmacher.com: Sehr schön. Aber trotzdem, für all jene, die sich jetzt ihren Wunsch aus Leder erfüllen wollen, die sollen Sie besuchen kommen. Oder Sie haben ja auch eine Internetpräsenz.
Michael Neller: Genau, richtig.
Wirtschaftsmacher.com: Das heißt, wie kommt man am besten mit Ihnen in Kontakt? Es gibt eigentlich alle Wege: über Google, über Facebook, über Instagram, zu mir ins Geschäft kommen. Ich mache mittlerweile, dadurch, dass ich international unterwegs bin, viel auch per Videotelefonie. Da wird also die Weste, das Design, die Größe – alles besprochen, alles per Videotelefonie. Und bisher hat noch alles gepasst.
Wirtschaftsmacher.com: Das heißt, Ihre Website lautet …?
Michael Neller: www.sirledermichel.com.
Wirtschaftsmacher.com: Perfekt, super! Herzlichen Dank für das Interview.
Michael Neller: Gerne!
Wer mehr über Micheal Neller und seine Arbeit mit Leder erfahren möchte, findet auf seiner Homepage www.sirledermichel.com weitere Informationen.
SIR LEDER MICHEL
Michael Neller
Lederergasse 23
9500 Villach, AT
+43 676 482 6588
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www.sirledermichel.com





















