Jürgen Meinhart: Energiepartnerschaft.at als Zukunftsmodell für unabhängige Stromversorgung

Wir sprechen heute mit Diplom-Ingenieur Dr. Jürgen Meinhart, Geschäftsführer der schlau-pv GmbH aus Oberösterreich. Und nach über 25 Jahren in der Energiewirtschaft kann man ihn erst recht als wahren Experten bezeichnen, wenn es um den österreichischen Energiemarkt geht. Es freut uns, dass Sie heute bei uns sind, Herr Meinhart.
Wirtschaftsmacher.com: Herr Meinhart bringt zusammen, was zusammengehört. Das Thema Energiegemeinschaften ist mitunter gerade im Kommen, aber was genau kann sich der Zuseher eigentlich darunter vorstellen?
Jürgen Meinhart: Ja, was kann sich der Zuseher vorstellen? Sie müssen sich vorstellen, der Grundgedanke war, eine PV-Anlage liefert also im Sommer sehr, sehr viel Strom, den Sie gar nicht selber nutzen können. Wäre doch schön, wenn ich diesen Überschuss mit wem anderen teilen kann. Das ist so die Grundüberlegung und daraus sind verschiedene Modelle entstanden.
Wirtschaftsmacher.com: Die Stromteile als alternative Bezugsquelle, wie genau funktioniert die?
Jürgen Meinhart: Gehen wir mal davon aus, jeder hat seinen Stammlieferanten, seiner Wahl. Wir haben ja seit 25 Jahren freie Lieferantenwahl. Der bleibt auch bestehen. Es ist nur so, wie wenn wir am Papier jetzt die PV-Anlage aufteilen zwischen uns beiden. Sie hätten eine und ich habe keine. Dann können Sie technisch den Strom mit mir teilen.
Wirtschaftsmacher.com: Verstehe. Das heißt, ich produziere jetzt eine gewisse Anzahl an Kilowattstunden an Strom, verbrauche aber nur einen gewissen Prozentsatz davon.
Jürgen Meinhart: Genau. Und der Rest geht jetzt, wenn wir über eine Energiegemeinschaft sprechen, über das öffentliche Netz zu mir ins Haus oder zu anderen Teilnehmern. Es ist natürlich in der Leitung immer der gleiche Strom. Das ist der Strommix, den wir alle haben. Aber abrechnungstechnisch kommt genau der Strom von innen zu mir ins Haus.
Wirtschaftsmacher.com: Diese Möglichkeiten existieren schon immer, seit es PV-Anlagen gibt oder ist es eher relativ neu?
Jürgen Meinhart: Es ist relativ neu. Die Energiegemeinschaften gibt es jetzt ungefähr drei Jahre, wenn ich mich recht erinnere. Es hat so eine Gesetzesänderung gegeben und diese erste Vorstufe, die sogenannte gemeinschaftliche Erzeugungsanlage, die gibt es jetzt schon ein paar Jahre länger. Das ist, wenn man im gleichen Haus wohnt, ein Mehrparteienhaus, und man tut sich gemeinsam eine PV-Anlage aufs Dach, dann war das das erste Modell, diese Anlage quasi zu teilen. Und mit der Energiegemeinschaft ist es jetzt möglich, die Grundstücksgrenze zu überwinden.
Wirtschaftsmacher.com: Ich meine, lange Zeit war es ja als großer Vorteil angesehen, wenn ich jetzt auf meine Dachfläche eine Photovoltaikanlage installiere, dass ich mit dem Stromüberschuss ins System einspeise und ja damit eigentlich indirekt meine Anlage refinanziere. Warum ist es heute nicht mehr so?
Jürgen Meinhart: Naja, es haben ja viele vermutlich auch aus dem Publikum mitbekommen, die Verwerfungen an den Energiemärkten vor zweieinhalb Jahren, als wir diese Riesenpreisexplosionen hatten. Und man muss jetzt ein bisschen in die Tiefe reingehen und sagen, der Preis für Strom wird jede Stunde gebildet aus Angebot und Nachfrage. Und wenn jetzt sehr viel PV-Angebot vorhanden ist und die Nachfrage zum Beispiel am Wochenende wenig ist, weil ja der Großteil der Industrie und des Gewerbes nicht produziert, dann ist ein Überangebot am Markt. Und das haben viele PV-Anlagenbesitzer mitbekommen. Nach der Energiekrise hatten wir Einspeisevergütungen von 25 Cent und so weiter. Im letzten Jahr haben wir mehrfache Hiobsbotschaften gehört von verschiedenen Lieferanten, die runtergegangen sind auf zwei Cent oder noch weiter.
Wirtschaftsmacher.com: Und jetzt ist es natürlich für einen PV-Anlagenbesitzer eine sehr attraktive Möglichkeit in der Energiegemeinschaft, zu einem Preis, der nicht vom Markt abhängig ist und den uns wir beide in der Gemeinschaft ausmachen, zu verkaufen.
Jürgen Meinhart: Und da können Sie jetzt hergehen und sagen, naja, ich brauche ungefähr, ich sage mal, 8 oder 12 Cent, dass sich mein Investment rechnet. Und ich werde hergehen und sagen, naja, bei meinen Lieferanten kostet es eigentlich mehr. Und da kommen ja noch ein paar Vergünstigungen dazu, vielleicht können wir das später noch beleuchten. Und dann profitieren wir beide davon. Und eigentlich haben wir dann einen ganz tollen Gemeinschaftsgedanken. Wir beide profitieren. Wir machen Gemeinschaft. Und ich freue mich ganz ehrlich, wenn ein Geld in der Nachbarschaft bleibt und nicht irgendwo in einem anonymen Konzern reingeht. Das ist ganz klar.
Wirtschaftsmacher.com: Jetzt wird es richtig spannend. Wie kann man sich diesen Prozess vorstellen?
Jürgen Meinhart: Wir verlassen jetzt die allgemeine Energiegemeinschaft, die Idee, die jedem offen steht, und gehen in dieses Projekt, das wir mit Partnern aufgesetzt haben. Das nennt sich auch Energiepartnerschaft Österreich. Das geht davon aus, es werden in jedem Regionalbereich, wie das so in der Techniksprache heißt, wird nach Bedarf eine regionale erneuerbare Energiegemeinschaft gegründet, fix hingestellt und wir vernetzen die Leute in dieser Region. Jetzt kann ich mir zwar nicht mehr aussuchen, ob ich mit Ihnen in diese Gemeinschaft gehe, weil Sie vielleicht genau 100 Meter im anderen Regionalbereich wohnen, aber der ist doch relativ groß. Aber wir nehmen jedem die Suche ab und sagen, jetzt muss ich meine Leute zusammensuchen.
Wirtschaftsmacher.com: Weil die stelle ich mir ja trotzdem als große Herausforderung vor. Wenn ich es jetzt ohne fremde Hilfe machen würde und selber quasi diese gesetzliche Möglichkeit für mich in Anspruch nehmen würde, müsste ich ja jeden Akteur selber kennen.
Jürgen Meinhart: Genau. Und wenn wir jetzt hier sagen, der Bereich, der Regionalbereich ist also je nachdem in einer Stadt wie Graz – das sind ungefähr zwei Bezirke. In Wien ist es ähnlich, ein Bezirk ungefähr, aber das kann man nicht so genau umlegen. Es ist ein Regionalbereich. Am Land ist es leichter. Der Großraum hier rund um Leibnitz ist ein Regionalbereich, das heißt, da haben wir durchaus etliche Gemeinden. Oder wenn wir nach Oberösterreich blicken, zum Beispiel die Region Attersee und Mondsee ist ein Regionalbereich. Es ist technisch halt so gewachsen. Und jetzt gehen wir her und vernetzen in der Region die Leute miteinander. Sie kommen jetzt aus dem Ort Leibnitz und hätten einen Freund in Kaindorf. Bisher ist es schwierig. Und jetzt gehen wir aber her und sagen, die passen genau zusammen, die führen wir zusammen.
Wirtschaftsmacher.com: Es ist ein fertiges Konstrukt, ein fertiges Vereinskonstrukt da.
Jürgen Meinhart: Das heißt, Sie müssen eigentlich nur Ihre Beitrittserklärung und die elektronisch abgeben. Zeitaufwand fünf Minuten. Das ist aber das Thema nicht. Aber um jetzt ein bisschen auch ins Detail zu gehen, das Verhältnis zwischen Produzent und Konsument, ist das immer eins zu eins? Nein. Also wenn man das technisch analysiert, wir sind halt wieder im Technischen, dann ist es so, dieses Verhältnis 3 Verbrauchskilowattstunden auf eine Einspeise-Kilowattstunde gibt ein relativ ausgewogenes Verhältnis. Weil wenn ich zu viele Einspeiser habe, dann ist das zwar ganz super für die Strombezieher, aber die Einspeiser bekommen nichts mehr, weil viel zu wenig Nachfrage da ist. Und umgekehrt habe ich eine riesen Latte an Nachfrage, aber nur einen kleinen Einspeiser – hat keiner was davon. Also dieses Verhältnis circa 1 zu 3 ist ein sehr ausgewogenes Verhältnis, wo für beide Seiten ein guter wirtschaftlicher Erfolg rausschaut und dieser Strom sehr sinnvoll verwendet wird.
Wirtschaftsmacher.com: Sie haben ja vorhin eingangs erwähnt gehabt, dass sich der Strompreis immer aus Angebot und Nachfrage zusammensetzt. Wie schaut da die Preismechanismen innerhalb solcher Partnerschaften oder Gemeinschaften aus?
Jürgen Meinhart: Also wir müssen das auf jeden Fall trennen vom offiziellen Strommarkt, von den Börsen. Diese Energiemengen in der Energiegemeinschaft, in der Energiepartnerschaft sind davon abgekoppelt. Sind das jetzt 10 Leute, kann man sich nur einen Preis ausmachen. Da sagen die Einspeiser, ich brauche eben, wie eingangs gesagt, 9, 10, 11 Cent, was für mich interessant ist. Die auf der Nachfrage-Seite werden sagen, naja, aber 7 Cent wären schon super, muss man irgendwie sich finden. Wir haben es jetzt so gemacht in der Energiepartnerschaft Österreich, wir geben österreichweit einen Preis vor. Das heißt, Sie kriegen als Einspeiser 10 Cent und der Bezieher bezahlt auch nur 10 Cent. Also da ist keine Marge drinnen oder sonst was. Ist also für beide Seiten ein hochgradig faires Angebot. Weil 10 Cent für den Einspeiser ist schon sehr, sehr toll. Und 10 Cent für die nachgefragte Kilowattstunde kriegt man derzeit bei keinem Lieferanten.
Wirtschaftsmacher.com: Ist es realistisch, dass man jetzt als Stromkonsument wirklich zu unter Anführungszeichen 100 % oder ausschließlich nur aus der Partnerschaft Strom bezieht?
Jürgen Meinhart: Nein, das spielt’s leider nicht, weil es ist also immer nur der zeitgleich produzierte Strom, der auch zeitgleich verbraucht wird. Es ist also dieser Grundgedanke, wir teilen uns eine PV-Anlage. Da ist kein Speicher dazwischen in der Regel. Das heißt also tagsüber, so jetzt im Sommer ab 11 bis um 6 im Sommer, produziert die Anlage, aber in der Nacht ist leider nichts vorhanden. Ähnlich ist es im Winter. Das heißt, da kommt der Strom, so wie bisher, vom bestehenden Lieferanten. Und keine Sorge, keiner muss irgendwo umschalten oder so, sondern das passiert automatisch.
Wirtschaftsmacher.com: Aber das heißt aber auch im Umkehrschluss, wenn jetzt so einer… einer Gemeinschaft beitrete, ist es ja nicht zwangsmäßig erforderlich, auch den Stromanbieter irgendwo zu verändern.
Jürgen Meinhart: Überhaupt nicht. Es ist ja dieses Grundprinzip freie Lieferantenwahl in Österreich ein sehr hohes Prinzip. Das heißt, jeder bleibt bei dem Lieferanten seiner Wahl, hat natürlich auch die Möglichkeit, jederzeit trotz oder parallel zur Energiegemeinschaft den Stromanbieter zu wechseln. Das sind zwar völlig getrennte Ebenen.
Wirtschaftsmacher.com: Ich habe vorhin einen anderen Punkt, einen angesprochenen, auch recht interessant gefunden. Das Thema in der Nachbarschaft bzw. allgemein Regionalität. Welche Rolle spielt das überhaupt, dass man die Wertschöpfungskette wirklich bei sich behält?
Jürgen Meinhart: Wenn Sie überlegen, vor 20, 25 Jahren hat die Liberalisierung begonnen. Da war es vollkommen klar, Strom kommt lange vom Stammlieferanten, wer auch immer das ist – das Stadtwerk, der Landesversorger und so weiter. Dann hat sich die Liberalisierung durchgesetzt, mehr Anbieter sind auf den Markt gekommen, aber es war noch immer so, es gab einen klaren Anbieter und einen klaren Verbrauchermarkt. Jetzt wandeln sich die Zeiten. Wir alle werden mit einer PV-Anlage zum Prosumer, wie es so schön neudeutsch heißt. Das heißt also, wir produzieren, wir konsumieren. Das heißt, ganz langsam verändert sich dieses Verhältnis vom großen Energiekonzern, vom Allmächtigen, hin zu einer breiten Wirkung. Und es geht darüber hin, dass man sagt, der Einzelne übernimmt wieder mehr Verantwortung für sein eigenes Tun und Handeln – ein bisschen herausfordernder, aber ich bin felsenfest überzeugt, das ist Teil der Zukunft, dass es viel mehr in die Regionalität, in die Nachbarschaft, in die Gemeinschaft verlagert wird, weil man dort auch relativ schnell justieren kann. Und vielleicht auch für mich persönlich ist es schon sehr charmant, wenn ich sage, Geld bleibt in der Nachbarschaft, Wertschöpfung bleibt in der Nachbarschaft, haben wir alle mehr davon und es ist eine vollkommen legale Möglichkeit, dass wir ein bisschen mit als Bürger auch das Ruder in die Hand nehmen.
Wirtschaftsmacher.com: Verstehe. Das ist eine sehr interessante und ja auch wirklich neue Möglichkeit. Gibt es ja, glaube ich, erst wenige Jahre.
Jürgen Meinhart: Drei Jahre gibt es das jetzt, ja.
Wirtschaftsmacher.com: Und da gibt es ja auch verschiedene, zumindest gesetzliche Konstrukte ja, zwischen bundesweiten Gemeinschaften. Aber ich glaube, da können Sie mehr darüber erzählen. Also, wie gesagt, wir haben diese gemeinschaftliche Erzeugungsanlage angeschnitten. Das war der erste Schritt, im gleichen Haus sich die Anlage zu teilen.
Jürgen Meinhart: Der nächste Schritt sind jetzt die erneuerbaren Energiegemeinschaften, die eben in den Nahbereich gehen. Das heißt also, Produzent und Verbraucher müssen entweder unter dem gleichen Ortstrafo hängen oder zumindest im gleichen Regionalbereich. Das ist im Regelfall ein Umspannwerk. Das war eben das, was ich vorher gesagt habe, die Gemeinden rund um Leibniz hängen an einem Umspannwerk. Und dann gibt es die Möglichkeit der Bürgerenergiegemeinschaft, die geht österreichweit, hat aber jetzt den Nachteil, es gibt keine finanziellen Vergünstigungen, während die Erneuerbare Energiegemeinschaft im Nahbereich sehr attraktive finanzielle Vergünstigungen hat.
Wirtschaftsmacher.com: Und dadurch haben dann die Konsumenten und Produzenten ja auch wirtschaftliche Vorteile.
Jürgen Meinhart: Genau, also vorwiegend die Konsumenten jetzt. Auf der Produzentenseite haben wir gesagt, dieser sehr attraktive Einspeisepreis, den auch der Konsument bezahlt. Aber der Konsument hat darüber hinaus reduzierte Netznutzungsentgelte, er zahlt keine Elektrizitätsabgabe und keinen Erneuerbaren-Förderbeitrag, glaube ich, heißt es. Das ist davon per Gesetz befreit. Und daraus kommt, wenn ich sage, bei unserer Energiepartnerschaft Österreich 10 Cent Energiepreis und die reduzierten Netzkosten im Vergleich zum üblichen Lieferantenstrom, hat der Kunde 10, 11, 12 Cent Ersparnis auf die Kilowattstunde.
Wirtschaftsmacher.com: Na gut, das macht sich dann schon auf ein Jahr sehr bemerkbar.
Jürgen Meinhart: Ja, ich sage, das ist einmal – reich werden tut man nicht als Privathaushalt – aber 200 Euro mehr im Geldbörsel für eine einfache Anmeldung, das zahlt sich nicht weg. Das zahlt sich auch schon mal aus. Das ist ganz klar.
Wirtschaftsmacher.com: Nachdem es ja erst seit wenigen Monaten oder Jahren jetzt im Endeffekt diese Möglichkeiten gibt, wie flächendeckend wird dieses Modell jetzt schon genutzt in Österreich?
Jürgen Meinhart: Naja, muss man halt ehrlich sein, wir haben das Modell erst voriges Jahr im Sommer ins Leben gerufen, haben mit dem Rollout im Jänner begonnen – Jänner diesen Jahres. Wir haben also eine enorme Nachfrage derzeit in Niederösterreich und in Teilen der Steiermark und Teilen von Oberösterreich. Wir können uns noch nicht genau nachvollziehen, woher das ist. Und dort sind aber die Nachfragen enorm. Wir gründen jede Woche derzeit fünf bis zehn neue Energiegemeinschaften als eigener regionaler Verein. Überall dort, wo genügend Leute sich zusammengefunden haben, damit wir das Ganze einigermaßen sinnvoll eben im vorher angesprochenen Verhältnis angehen können.
Wirtschaftsmacher.com: An der Stelle wird natürlich wahrscheinlich oft auch die Frage gestellt, mit welchen Kosten ist jetzt so eine Errichtung einer Gemeinschaft auch verbunden?
Jürgen Meinhart: Naja, wie gesagt, wenn man es alles in Eigenregie macht, dann muss ich einen Verein gründen, muss Statuten schreiben, da brauche ich meistens einen Anwalt dazu. Ich muss mich um die Ausgestaltung des Vereins kümmern, irgendwer muss dann im Verein Arbeit übernehmen. Ist ja auch klar. Dann kommt das Thema, ich muss mich an den Netzbetreiber anbinden, um die Verrechnungsdaten zu bekommen und auch den Stammdatenaustausch mit dem Netzbetreiber herzustellen. Also wer von meinen Freunden geht jetzt in welche Gemeinschaft? Und schlussendlich muss abgerechnet werden.
Wirtschaftsmacher.com: Das hört sich nach Bürokratie auch an.
Jürgen Meinhart: Hört sich nach Bürokratieaufwand an und deswegen war dieser Ansatz mit Energiepartnerschaft Österreich so einfach wie möglich. Der Beitritt ist nur eine Unterschrift. Natürlich braucht man die persönlichen Daten und die technischen Daten von der Stromanlage. Das Vereinskonstrukt ist fertig, es muss niemand in einem Verein jetzt Arbeit verrichten. Der Verein wurde deswegen gewählt, weil er im Gesetz als erste Möglichkeit genannt wird, weil jede Energiegemeinschaft braucht eine eigene Rechtsform. Und dann nennt das Gesetz den Verein bewusst als erstes, weil es auch die einfachste Form ist. Man kann jetzt nicht österreichweit 600 GmbHs gründen, das kann man, aber das ist illusorisch.
Also zurück, es muss niemand im Verein Arbeit verrichten, aber ganz im Gegenteil, der Verein sorgt für die Leute, die interessiert sind, für Vernetzung, für Fortbildung, Webinare und Ähnliches. Und natürlich, im Laufe der Zeit lernt man sich ja auch persönlich kennen. Wenn ich so sehe, anonymisiert natürlich, aber wo sind die Teilnehmer?
Wirtschaftsmacher.com: Kann man auch mal einen Blick riskieren?
Jürgen Meinhart: Ja, natürlich. Man redet auch drüber. Der Datenschutz wird natürlich eingehalten, das ist eh kein Thema. Es gibt trotzdem die Möglichkeit, man lernt sich etwas über das Webinar kennen und Ähnliches.
Wirtschaftsmacher.com: Ich habe null Aufwand, wenn ich dieser Energiepartnerschaft Österreich beitrete.
Jürgen Meinhart: Natürlich, wenn ein fertiges Konstrukt vorhanden ist. Wir haben vorher gesagt, es fallen Kosten an, die sind sehr, sehr gering. Es fallen im Monat einfach nur 5 Euro an für den Verein und für die Abrechnung und so weiter. Also wenn ich mit einem Zielpunkt drinnen bin, sind es mehr Zielpunkte, wird es ein bisschen mehr. Ist aber jetzt überschaubar, weil was kostet ein Getränk in einem Gasthaus?
Wirtschaftsmacher.com: Das ist ganz klar. Um 5 Euro kriegt man vielleicht noch ein Bier.
Jürgen Meinhart: Zum Beispiel.
Wirtschaftsmacher.com: Okay, verstehe. Aber was mich auch interessieren würde, wenn wir jetzt mal einen Blick auch in die Zukunft werfen. Wenn wir mal wirklich von heute die Uhr nach vorne drehen, fünf Jahre, wir schreiben das Jahr 2030. Und im besten Falle ist die Energiegemeinschaft in Österreich schon ein Narrativ geworden und als wirkliche Alternative anerkannt und etabliert. Welche Auswirkungen sehen Sie davon, allgemein jetzt auf dem Strommarkt?
Jürgen Meinhart: Also, ja, ich glaube, dass in fünf Jahren ist die Energiegemeinschaft guter Standard. Es gibt sicher noch Potenzial nach oben. Es wird eine gewisse Zeit dauern, bis sich das weitestgehend durchspricht. Aber es wird guter Standard sein. Jetzt haben wir vorher gesagt, diese Mengen, die in der Energiegemeinschaft ausgetauscht werden, unterliegen nicht dem Preisfindungsmechanismus an der Börse. Das heißt, diese Mengen gehen raus. Das heißt, es gibt also einen stabilisierenden Effekt auf die Börsenpreise, die derzeit bei viel Sonnenentstrahlung sehr, sehr niedrig sind. Das heißt, das wird wieder stabiler. Das ganze Preisgefüge wird stabiler, weil die Energiegemeinschaft macht sich ja im Regelfall einen stabilen Preis aus, alle Jahre einmal anpasst und sagt, naja, ein bisschen haben wir uns entjustiert oder so, das wird die Zukunft zeigen.
Und ich glaube auch, also wir experimentieren da schon mit einem Softwarehersteller, dass ich dann in der App live sehe, wie gut ist die Energiegemeinschaft ausgelastet, ist die im Moment short oder long, wenn ich das jetzt auf Börsensprache um… Und nun habe ich zu viel, zu wenig Strom und kann danach justieren. Also je mehr diese elektronischen Helferleins kommen, umso mehr kann ich dann zum Beispiel hergehen und sagen, jetzt ist enorm viel Strom in der Energiegemeinschaft, jetzt lade ich mein Elektroauto auf oder Ähnliches. Da werden bis dahin auch Energiemanagementsysteme am Markt sein, die uns da massiv unterstützen. Jetzt ist es noch so, wenn Sie wirklich vielkönnende Systeme – dann sind sie eher komplex zu bedienen. Und umgekehrt, und da ist also das goldene Mittelmaß doch noch Entwicklungsaufgabe, aber ich bin sicher, in zwei Jahren, drei Jahren schaut die Welt völlig anders aus. In fünf Jahren werden Energiemanagementsysteme einfach wie mit den Gemeinschaften dazugehören.
Wirtschaftsmacher.com: Vielleicht das letzte kontroverse Frage vielleicht sogar. Jede Kilowattstunde, die ich aus der Gemeinschaft beziehe, kaufe ich halt beim klassischen Stromversorger nicht. Ist es denn denkbar, dass es in der Zukunft auch dort einen gewissen Gegenwind gibt?
Jürgen Meinhart: Naja, offiziell sind die Energiegemeinschaften von EU-Ebene an die Mitgliedstaaten als Direktive ausgegeben und sind umzusetzen. Wenn wir ins große Nachbarland Deutschland blicken, da ist die Umsetzung viel langsamer als in Österreich. Österreich ist da schon Vorreiterstaat. Und ich glaube nicht, dass man dieses Thema, wenn es jetzt an Fahrt aufnimmt, völlig wieder zum Stoppen bringt. Es wird eher so sein, die großen Energieversorger werden sich auf dieses Thema einstellen, ihre Beschaffungsstrategie neu überdenken. Man muss halt in dynamischen Märkten auch darauf reagieren. Sie werden damit leben müssen, dass die gehandelten Mengen weniger werden. Andererseits, jetzt drehen wir es um, der gewünschte Umstieg auf Elektromobilität, Wärmepumpen und so weiter – das sind ja Energiemengen, die heute nicht am Markt sind, die kommen wieder dazu. Wärmepumpen werden besonders im Winter benötigt, wo wir herzlich wenig Photovoltaik haben. Also es wird sich vielleicht verlagern, es werden sich die Produktions- und Einkaufsstrategien verlagern, aber Geschäft für die klassischen Energielieferanten gibt es immer.
Wirtschaftsmacher.com: Die wird es immer geben, bestimmt, ja. Ja. Was würden Sie als Schlussworte jemandem noch mitgeben, der entweder jetzt gerade mit dem Gedanken spielt, vielleicht auch einer Energiegemeinschaft beizutreten, beziehungsweise ich glaube, ein Teil davon kann ja jeder werden. Jeder von uns bezieht einen gewissen Strom. Die einen haben auch eine Photovoltaikanlage und hätten Strom abzugeben. Was würden Sie all jenen dann als letztes Wort mitgeben?
Jürgen Meinhart: Also nochmal, die wichtige Feststellung ist, wir brauchen in der Energiegemeinschaft die Produzenten, wir brauchen die Konsumenten. Es muss das Thema auch bei den Leuten in den Wohnhäusern ankommen, dass sie durchaus Teil der Energiegemeinschaft nicht nur werden können, sondern erwünschte andere Seite der Energiegemeinschaft sind, ohne die die Gemeinschaft nicht funktioniert. Und wie gesagt, ich kann nur empfehlen, schauen Sie sich die Seite der Energiepartnerschaft Österreich, energiepartnerschaft.at an, da ist das alles erklärt. Die Mitmachschranken sind wirklich sehr, sehr gering. Die Einstiegsbarriere ist gering. Und ich kann also nur an Sie, liebe Zuschauer, appellieren, wenn Sie Interesse haben, zögern Sie nicht. Eine Gemeinschaft entsteht nicht, indem ich warte, dass Sie einsteigen oder der Nachbar, sondern irgendjemand muss den ersten Schritt machen.
Wirtschaftsmacher.com: Herzlichen Dank. Also in dem Sinne, machen Sie mit und vielen Dank für das Interview.
Weitere Informationen gibt es unter: www.energiepartnerschaft.at