Gehirn-Computer-Schnittstellen sollen die Fähigkeit zum Sprechen zurückbringen – und das sogar mit der ursprünglichen Stimme. Forscher wie Francis Willet arbeiten daran.
Hirnimplantate revolutionieren die Kommunikationsmöglichkeiten für gelähmte Menschen, indem sie neuronale Aktivität in Sprache umwandeln. Zwei unabhängige Forschergruppen haben die Technologie kürzlich erheblich weiterentwickelt, was potenziell bahnbrechende Auswirkungen auf die Lebensqualität von Menschen mit Lähmungen haben könnte.
Wegweisende Fortschritte
Die Verwendung von Gehirn-Computer-Schnittstellen, um die Hirnaktivität von gelähmten Personen in Sprache zu übersetzen, ist zwar nicht neu, aber die jüngsten Fortschritte sind wegweisend. Zwei verschiedene Teams von Forschern haben unabhängig voneinander bedeutende Erfolge erzielt, die „die Tür zu einer anwendungsreifen Option für Menschen mit Lähmungen öffnen könnten“, so Edward Chang von der University of California in San Francisco.
Changs Forschungsgruppe arbeitete mit einer 47-jährigen Frau zusammen, die seit einem Schlaganfall vor 18 Jahren weder sprechen noch ihre Hände bewegen konnte. Um ihre Hirnaktivität aufzuzeichnen, implantierten die Forscher eine Matte mit 253 Elektroden über dem Bereich des Gehirns, der für Mundbewegungen verantwortlich ist. Ein künstliches neuronales Netzwerk wurde dann verwendet, um die elektrischen Signale zu übersetzen, die während des Versuchs zu sprechen entstanden. Das Ergebnis war beeindruckend: eine Sprechgeschwindigkeit von 78 Wörtern pro Minute und eine Fehlerrate zwischen 5 und 28 %, abhängig vom Vokabular. Ab einer Fehlerquote von unter 30 % gelten solche Spracherkennungsanwendungen als alltagstauglich.
Alternativer Ansatz von Francis Willet
Ein anderes Team unter der Leitung von Francis Willet von der Stanford University verfolgte einen alternativen Ansatz. Sie setzten ein weniger flächendeckendes Implantat ein, dessen feine Elektroden jedoch direkt ins Gehirn eingeführt wurden. Dies ermöglichte die Erfassung der Aktivität einzelner Nervenzellen.
In einfachen Worten erklärt funktioniert es so: Hirnimplantate übermitteln Nervenimpulse an ein System, das diese mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) in Sprache umwandeln kann. Die Forscher aus den USA drücken es in ihrer Studie folgendermaßen aus: „Gehirn-Computer-Schnittstellen (BCI), die durch Sprache gesteuert sind, haben das Potenzial, Menschen mit Lähmungen eine schnelle Kommunikationsmöglichkeit zu bieten, indem sie die neuronale Aktivität, die durch Versuche zu sprechen ausgelöst wird, in Text oder Ton umwandeln.“
Eine Patientin mit amyotropher Lateralsklerose (ALS) konnte mithilfe dieser Gehirn-Computer-Schnittstelle mit einer Geschwindigkeit von 62 Wörtern pro Minute kommunizieren, und die Fehlerrate lag zwischen 9 und 24 %.
Das durchschnittliche Sprechtempo englischsprachiger Personen in den USA liegt bei etwa 150 Wörtern pro Minute. Im Vergleich zu vorangegangenen Forschungsmethoden sind beide Methoden dank fortschrittlicher Algorithmen um das Drei- bis Fünffache schneller und genauer. Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten zwischen den beiden Patientinnen sollte man jedoch nicht als Hinweis auf die Überlegenheit eines Ansatzes gegenüber dem anderen interpretieren, da die aktuelle Geschwindigkeit wahrscheinlich auf die spezifischen Bedingungen der jeweiligen Patientinnen zurückzuführen ist.
Technologie bahnbrechend?
Die Frage, ob diese Technologie bald vielen Menschen mit Lähmungen zugutekommen kann, bleibt offen. Thorsten Zander von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg betont, dass beide Ansätze derzeit hoch individualisiert sind und intensives Training über mehrere Wochen erfordern. Dennoch zeigen die Studien, dass es möglich ist, solche Systeme auf andere Betroffene auszuweiten und somit neue Hoffnung für die Lebensqualität von Menschen mit Lähmungen zu schaffen.